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Ratlos in Wien - ein Interwiew über meine Erfahrungen als Immigrant


Interview für A. Barbuica, für seine Diplomarbeit über soziale Beziehungen zwischen rumänischen Einwanderern und Österreichern, 2002

Deutsche Version - Aranca Munteanu, Wien


B: Seit wann leben Sie hier?

HM:
Seit 10 Jahren.


B: Was hat Sie dazu bewegt?

M:
Es war ein Zufall. Da ich Deutsch konnte - ich habe das deutschsprachige Gymnasium (in Bukarest) besucht - habe ich mich für Stipendien zuerst in Deutschland beworben, wo sie nicht so leicht Leute nahmen, die mitten in Studium waren - ich war damals in 6.Semester - dann habe ich mich hier beworben und hab zuerst ein Stipendium für ein Jahr bekommen.


B: Hatten Sie eine Vorstellung davon, was Sie hier erwartet?

M:
Darüber habe ich 95 ein Artikel geschrieben. Es war für eine katholische Studentenzeitschrift - ich habe damals in einem katholischen Studentenheim gewohnt - und die war so ein bisschen links, obwohl katholisch, also eher inklusivistisch, wo man also den Rest der Welt einbezieht, im Gegenteil zum rechtsgerichteten Exkusivismus, wo eine Delimitierung gegenüber dem Rest der Welt vorgenommen wird, wir sind die Guten, die anderen die Bösen. Damals war der Inklusivismus in Österreich noch "in". (...) Im Grossen und Ganzen ging es in dem Artikel darum, dass es eine Enttäuschung gibt, die mehr mit den Österreichern zu tun hat als mit den Osteuropäern. Natürlich gibt es hier zwei Nuancen. Einerseits, gibt es die Probleme, die inherent mit der Entwurzelung zu tun haben, wenn man in eine andere Kultur umzieht, egal welche. Ich kenne auch umgekehrte Beispiele, von Österrecihern, die das Leben in Holland nicht ertragen haben. Das ist amüsant, da die Holländer kommunikativ und offen sind, wir würden uns mit ihnen also gut verstehen, aber mit denen sich die Ö. nicht verstehen können, weil sie das Gegenteil davon sind und sich also mit uns und den Holländern nicht verstehen können. Ich werde Ihnen den Artikel geben, er ist auf Deutsch.


B: Was hat Sie überrascht, als Sie nach Wien kamen?

M:
Es hat mehrere Begegnungen mit Wien gegeben. Das erste Mal kam ich mit meiner Mutter her, als ich 12 war, 1979. Sie war bildende Künstlerin und die Künstler hatten damals mehr Bewegungsfreiheit, man tat ihnen diesen Gefallen, damit sie ihrerseits dem Regime gewogen waren. Und da taten sie ihr einen zusätzlichen Gefallen, indem sie ihr erlaubten, mich mitzunehmen. Eigentlich war das nicht üblich, die Familie blieb meistens als Geisel zurück.

Mit 12 war ich natürlich sehr jung, aber damals gefiel mir Wien. Auch das zweite mal, 1990 als ich als Tourist in Wien war, da habe ich mich auch wohlgefühlt. Wien erschien mir paradoxerweise als ein sehr heimischer Ort, etwas balkanischer. Das war damals.

In Wien kann man sich sehr wohl fühlen als Tourist, es ist eine Stadt, die die Vorteile der Provinz mit denen der Hauptstadt verbindet, es ist eine Provinzhauptstadt oder eine Provinz, die zur Hauptstadt wurde, könnte man sagen. Es hat Sicherheit, Ruhe, die Menschen sind ruhiger, gelehriger. Man hat das Gefühl, dass man hier zuhause sein könnte und alles in Ordung wäre. Es fehlt die Vibration, die den Grossstädten eingen ist, wie Paris zB (...)


Eine der grossen Enttäuschungen am Anfang war das Niveau des Hochschulunterrichts. Bei der TU Wien habe ich eine Schule gefunden - darüber schreibe ich auch in dem Artikel, das man seine Ideale in den Westen projiziert - naja, aber wenn man kein Tourist mehr ist und direkten Kontakt bekommt, stellt man fest, dass diese Schule sehr uninteressant ist. Es gibt ein paar bemerkenswerte Spitzen, wie Hajek, in Ihrem Fall, aber sonst ist das etwas absolut Monotones, mehr als traurig. Da sprach ich gerade mal mit jemanden und da sagte ich, dass die Österreicher im Durchschnitt kein sehr helles Volk zu sein scheinen. Im Gegesatz zu den Rumänen, die ein Volk von intelligenten Leuten zu sein scheinen - denn auch um Anderen Dinge abzuluxen z.B. braucht man eine gewisse Intelligenz. Sicher schwingt da auch eine gewisse Sorglosigkeit mit, eine unbedachte Risikofreude. (...)


B: Und warum sehen Sie die Österreicher als limitiert?

M:
Diese Limitiertung ist wohl eher durch ihre Mentalität gegeben, die sehr konservativ ist. Und wenn man bedenkt, dass ein intelligenter Mensch ein offener Mensch sein müsste, da die Intelligenz ein dubito ergo cogito des Descartes voraussetzt und eben aus diesem Zweifeln ein sehr offener Geist sich ergeben müsste, offen für das Neue, der Lösungen sucht usw. Aber wenn man in schlechten Sinne konservativ ist - denn es gibt auch den englischen Konservativismus, der eigentlich schön und interessant ist, und der auf dem Prinzip beruht, dass man eine Politik der kleinen Schritte betreibt, die nur dort was am Traditionellen ändert, wo es nötig ist, die also eher an eine evolutionistische Korrektur eines Systems erinnert. Also ein System der nicht von absoluten ideologischen Prämisen herrührt, wie es in den klassischen Links- und Rechtsbewegungen zugeht, wo der Liberalismus sagt, wir brauchen unbedingt die freie Marktwirtschaft, und ein paar individuelle Werte,die sehr wichtig sind, und auf Grund dieser bauen wir eine Gesellschaft auf. Die Sozialisten machen es umgekehrt, sie sagen, man muss von kollektivistischen Prinzipien ausgehen, also eine andere Vision. Der englische Konservativismus hingegen sagt, es gibt eine Tradition, die uns Werte überliefert, die sich während der Zeit bewehrt haben, und solange sie nicht angefochten werden, warum sollten wir sie nicht weiter gelten lassen. Ich finde, das ist eine schöne Lösung. Ich bin sehr enttäuscht von anderen links- und rechtsgerichteten Systemen, da man sehen konnte zu welchen Katastrophen sie geführt haben, bei uns der Kommunismus. Die Rechtsgerichteten habe ich eher hier entdeckt, samt ihrer Probleme, nicht nur ihre theoretischen Vorteile, die man so vom Radio „Freies Europa" zu hören gewohnt war. Daher bin ich zu dieser Idee des Konservativismus gekommen. Aber der englische K. ist ein intelligenter. Vielleicht ist das ein Unteschied zwischen den Engländern und den Österreichern, eben daß die Engländer intelligente Konservativisten, die Ö. aber festgefahrene Konservativisten sind. Sie nehmen das Gesetz oder die Regeln als solche und wollen nichts daran ändern, aus Prinzip. Der Engländer sagt, ich nehme dieses Gesetz weil es gut ist, es hat sich bewehrt. Also der Engländer fragt sich, ob das Gesetz gut ist, der Ö. tut das aber nicht.


Jetzt entferne ich mich sehr vom Thema, aber es gibt diesen, ö. Spruch, "Vurschrift ist Vurschrift", das ist etwas, was bei mir Übelkeit erzeugt. Das letzte Mal wurde ich damit konfrontiert als ich nachts zu einem 24 Stunden offenen Postamt ging, wo ich eine Arbeit abschicken wollte für ein Architekturwettbewerb, denn ich wiedermal zu spät fertig hatte - übrigens auch ein Problem der Nichtanpassung, dass in z.B. Italien keins wäre. Also zurück zu diesem Postamt. Es war wichtig den Datumstempel noch von diesem Tag zu haben, aber ich bin bei der Post um 00.01 angekommen. Ich war mit einem ö. Kollegen zusammen, der aus einer Postlerfamilie stammt, und er ging mit unseren Verpackungen voraus, während ich noch was kopierte. Er hatte vor sich die Packung abstempeln zu lassen, zu bezahlen, und dann hätte ich nur noch die Papiere reingeben brauchen und abschicken. Als ich ankam war dort schon ein grosser Streit im Gange, weil die Postbeamtin die Verpackung nicht abstempeln wollte, solange der Inhalt nicht drin war, mit der Begründung, dass das keine Sendung sei, solange die Packung nicht verschlossen ist. Und sie gab viel Theoretisches zum Besten, um uns zu beweisen, dass sie nichts für uns tun konnte. Als ich dort wegging hatte ich das Gefühl, dass es wohl zu Kriegszeiten hier auch so gewesen sein muss, dass die Leute sagten, es tut mir leid, dass ich Sie als Jude denunzieren muss, aber es ist Vorschrift. Also, ein Gefühl, dass die Gesetze über der Ethik stehen, über jede persönliche Interpretation und das es letztlich eine Frage der Bequemlichkeit ist. Es ist viel bequemer die Verantwortung den Gesetzen, dem Staat zu überlassen. Es ist egal, was dabei herauskommt, man hat so entschieden und ich füge mich. Man fragt sich nicht, ob es so richtig ist. Vielleicht übertreibe ich sehr.

Die Sache bei der Post ist noch weiter gegangen. Wir verlangten von der Beamtin, dass sie uns eine Bestätigung gibt, dass wir um 00.01 bei der Post waren. Das wollte sie nicht. Naja, vielleicht war sie halt frustriert.

Dazu muss ich sagen, dass ich finde, Freud konnte nur in Wien als Psychoanalytiker berühmt werden. Wenn er in Rom gelebt hätte, hätte er vielleicht Liebesromane geschrieben, den er war ein guter Schriftsteller, was ich so gesehen habe. Das ist nur eine meiner Spekulationen, aber in Wien muss man sich damit auseinandersetzen, den die Umgebung ist dermassen kafkaesk, dass man damit nichts anfangen kann, also muss man sich als intelligenter Mensch Fragen stellen, was geschieht hier eigentlich, bin ich wahnsinnig, sind sie wahnsinnig?

Das ist auch so ein Problem, das Verhältnis Mehrheit-Minderheit. Wenn man zu einer Minderheit gehört, die normal denkt, dann ist es sehr leicht auf die Idee zu kommen, dass man selbst der Wahnsinnige ist. Und das passiert in Ö. wenn man als Rumäne hierher kommt.


B: Wie definieren Sie diese ö. Frustration, von der sie vorhin sprachen?

M. Zuerst muss ich die Geschichte von der Postbeamtin fertig erzählen. Das Gefühl war nicht nur, dass sie böswillig und absurd war, aber im Grunde muss jemand einen Grund haben böse zu sein. Da dachte ich, da muss es eine tiefgehende Frustration geben aus wer weiss was für Gründe, die sie dazu bringt, sich abzureagieren, auf untere Kosten, indem sie einen Weg gefunden hat, sich über jemanden zu stellen. Sie fühlt sich wohl das ganze Leben von jemanden dominiert, als einfache Beamtin, die vor allem sehr komplizierten Vorschriften unterworfen ist. Irgendwann fühlt sie die Notwendigkeit, diese Vorschriften, die sie unterdrücken, dazu zu verwenden jemanden anderen zu unterdrücken. Das war wohl eine der wenigen Gelegenheiten für sie, denn ansonsten sind alle sehr ordentlich, niemand versucht was durcheinander zu bringen. Wenn sie jemanden erwischt, ist sie froh ihm zu zeigen, wer der Chef ist.

Mein Eindruck ist also, dass es sich um eine tiefgehende Frustration handelt. Eigentlich lebt sie ein kafkaeskes Leben, dass ich niemandem wünsche. Es erwischt immer die gleichen Länder. Er (Kafka) hat im ö. Kaiserreich gelebt. Alldiese Dinge sind irgendwie verbunden.


B: Sehen Sie dass als ein Volkscharakteristikum?

M:
Es ist schwer von Volkschrakteristika zu sprechen. Aber man kann sagen, es geht um eine Mehrheit. Im Vergleich zu anderen Völkern dominiert dieser Zug mehr.

Aber dem ist duchraus so und das scheint sich von der ö. Bürokratietradition abzuleiten. Die Kernzone des früheren Imperiums, das heutige Ö., war die Zone die verwaltet hat, und das ist wohl auch die Zone gewesen mit der grössten Dichte an Menschen, die es verstanden, einen Posten zu beziehen, wo sie nichts taten. Zu Zeiten des Kaisers waren die ö. Ingeneure in der Tschechei, Landwirtschaft wurde in Serbien und Ungarn betrieben, und Wien war eben die Stadt der Bürokraten, der Verwalter. Das wird von verschiedenen Studien bestätigt. Ich habe eine Studie zur urbanistischen Geschichte Wiens gelesen, wo man feststellte, dass aus wirtschaftlichen und politischen Gründen, Wien eben eine Stadt der Konservativen war, die echten Unternehmer und Kapitalisten kamen immer von woanders. Wien hat lange Zeit von Grundstücksmieten und -steuern gelebt, im Zentrum, wo man Häuser hatte und viele taten nichts als davon zu leben. Also eine statische Wirtschaft. Die ersten grossen Untenehmer im modernen Sinne waren Deutsche und Juden, die Textilmanufakturen gegründet haben, vor allem im 7. Bezirk. So kam es zu der Situation, dass die Wiener die waren, bei denen alles immer beim Alten blieb, und die, die von aussen kamen waren die Bösen, die kamen um sie auszubeuten. Mit der Zeit wurde daraus, denke ich mal, eine sehr böse und pessimistische Mentalität, die gegen alles war. Das wäre wohl die historische Erklärung.


Zurück zur Postbeamtin, zuerst versucht man also die Motivation zu finden, und dann stellt man fest, dass sie aus dieser Vorschrift-ist-Vorschrift-Situation nicht ausbrechen kann. Die Polizisten, die mein Kollege gerufen hatte, um von ihnen so eine Bestätigung zu bekommen, dass wir eben kurz nach Mitternacht dort waren, wollten uns auch nichts geben, da es keine Bestimmung gibt, die ihnen das erlaubt hätte. Gut, das ist verständlich. Wir haben ihnen erklärt, dass wir uns in einer miesen Lage befanden, dass wir je einen Monat daran gearbeitet hatten und jetzt nicht einreichen konnten, nur weil sie uns keine Bestätigung geben wollte, und das nur weil wir beim Kopieren Pech hatten. Aber letztlich waren die Polizisten hilfsbereit und haben uns Karten überreicht haben, wo aber nur ihre Dienstnummer drauf war, auch so was Kafkaeskes, oder aus "Brave New World" von Huxley, wo auf der Rückseite geschrieben war, dass die Karte zu der Zeit im Hauptpostamt überreicht wurde, also ein indirekter Beweis, dass wir dort waren.


Sicher passiert so etwas nicht ständig und Bürokratie gibt es überall, auch in Rumänien. Die Bürokraten scheuen sich nicht bürokratische Entscheidungen zu treffen. Das war das Problem, die Wahl zwischen einer ethischen Entscheidung und einer rein bürokratischen. Also nicht nur, dass sie nicht imstande war, die etische zu wählen, aber sie fürchtete sie auch und hasste uns dafür, dass wir von ihr verlangten ethisch zu handeln statt bürokratisch.

Ich finde der Rumäne stellt sich die Fragen von einem viel meschlicheren Standpunkt. So gesehen hat er mehr Chancen zur spirituellen Gnade als der Österreicher. Der Ö. ist dermassen fixiert in diesem Weltlichen, zu dem auch die Dienstvorschriften gehören, dass er selbst zu einer eigenen Bürokratie wird. In seinem Inneren herrschen auch Regeln darüber, was man fühlen darf und was nicht. Als Seele ist er komplet zerstört.


B: Wirkt sich das zwischenmenschlich aus?

M:
Einmal war ich ein Monat in Paris und habe dort im Büro eines österrechischen Architekten gearbeitet. Er war ein sehr offener Mann, aber er hatte dort auch Österreicher. Mit einigen von ihnen ging ich mittags in ein Bistro essen, dass einer Libanesin gehörte, die sehr sympatisch war. Es war immer voll dort. Einmal ging ich da rein, sie begrüsste mich, wie immer, sagte ein paar Worte, wie die Franzosen das so tun (auch die Rumänen), etwas, was mir sehr gut gefällt, dieses Gefühl, dass man beachtet wird. Es gibt dieses Grundprinzip bei allen romanischen Nationen, ich rede mit dir, damit du weisst, dass ich nichts gegen dich habe. Wenn ich mit dir nicht rede, dann habe ich was gegen dich. Ja also sie begrüsste uns, brachte uns das Essen, sagte noch ein paar Sätze. Die Österreicher, die mit waren, kommentierten auf Deutsch, was das für ein geschwätziges Weib wäre, und könnte sie nicht bloss das Essen bringen und die Klappe halten, wieso müssen wir ihre Geschichten hören, das interessiert uns nicht. Das war Jänner 2000 und erst dann wurde mir mein Problem bewusst, dass ich hier hatte, seit 8 Jahren. Was die da taten war als ob man in die Oper geht und sich beschwert, dass die auf der Bühne herumbrühlen. Sicher, es muss einem nicht gefallen, aber zu sagen, dass es Blödsinn ist, ist peinlich. Das bedeutet, dass man nicht viel Verständniss für diese Dinge hat.

Das hat mich sehr schockiert, dass sie das so störend fanden. Mich hat es bezaubert.

Dieses Büro war am Stadtrand und wenn man dort um Mitternacht rausging, konnte man immer ein kleines offenes Geschäft finden, einen Chinesen, einen Libanesen, man konnte ein Kebab kaufen, man konnte in ein Bistro gehen und die Leute schauten einen freundlich an, als ob sie gleicht ein Gespräch mit einem anfangen würden. Es war eine angenehme Atmosphäre, man konnte leicht mit den Leuten ins Gespräch kommen. Für mich war das der ideale Ort, für die Ö. war es störend.

Ich hatte da viele Erlebnisse mit den Kellnern, die definitorisch sind. Es ist kein Vergleich zu dem, was hier ist. Auch hier kommt es vor, dass man sympathische Kellner findet, aber man kann das nicht mit Paris vergleichen, sogar die Scherze sind anders.


Es gibt no man's land aber auch no land's men. Man entfernt sich von den Ö. aber auch von den Rumänen. Und man mag die R. auch nicht mehr, weil man ihre Fehler sieht. Ich versuche auch nicht mich irgendwo einzureihen, und zu sagen ich bin Ö. und alles, was hier passiert ist normal.

Ich kam her, weil mir die Architektur-Szene gefiel, Hans Hollein überal, und ich dachte die Schulen werden auch aussergewöhlich und ultramodern sein, eine Fühle von Ideen.

Das ist die eine grosse Enttäuschung, dass die Dinge eben nicht so liegen. Es stellt sich raus, Ö. ist ein Land in dem die grossen Denker nur Oppositionelle sein können. Es gibt andere Kulturen, wie die italienische, teilweise auch die französische, die lockere Kulturen sind, wo man mit einander redet, wo es nicht so eine klare Delimitierung zwischen Denker und Establishment gibt, wie hier. Hier gibt es ein festgefahrenes Establishment, ein bischen verblödet und dann gibt es die Leute, die merken, dass da was nicht stimmt, und das Land verlassen, wie zB Igeborg Bachman, die sich nur in Italien wohlfühlte. Sie schrieb oft, dass man sich in Italien normal fühlt und hier wird man wieder von Grauen erfüllt. Und sie war immerhin Österreicherin, nicht Rumänin.


Es liegt also nicht ausschliesslich an unserer rumänischen Perspektive, die anders ist, sondern es scheint, dass Österreich etwas Pathologisches an sich hat, gesellschaftlich. Und es enthält ein Paradox. Einerseits ist das ein sehr gemütliches, gastfreudliches Land, eine Art balkanischere Schweiz, aber dann auch diese Ordnung, Genauigkeit, diese Dinge, die wir als deutsch bezeichnen. Also man hat das Gefühl, dass man sich hier wohlfühlen kann, dass man in Sicherheit ist, so wie bei einer Oma, die einem alles gibt, und man würde gern bei ihr bleiben, aber ab und zu hat sie schreckliche Anfälle, so dass man am liebsten ganz weit weg laufen würde. Etwas gerät in Unordung, so wie in Horrorfilmen, die Oma wird zum Vampir, so in dieser Richtung. Die Oma ist also nicht ganz normal und gesund.

In einem Gespäch einmal bin ich zu dem Schluss gekommen, dass man über das Absurde nicht normal reden kann. Man kann das Absurde nur in Metaphern ausdrücken. Man kann das Phänomen nicht rational erfassen. Wenn das möglich wäre, dann wäre es nicht mehr absurd. (....)


B: Haben Sie beruflich mit Österreichern zu tun?

M:
Beruflich nur mit Österreichern. Die Rumänen, die ich kenne, habe ich später kennengelernt. Mit vielen gab es keine gemeinsamen Gespächsthemen, oder sie waren so angepasst, dass ich mit ihnen nicht über meine Probleme reden konnte.

Sehr spät und durch Zufall habe ich Ioan Buliga, Maler und Restaurateur, kennengelernt, vor vier Jahren. Dadurch auch wieder Aranca Munteanu, der ich früher mal begegnet war. Mit den zweien und noch einigen anderen habe ich hier also ein paar R. gefunden, die mir ähnlich sind.

Ich hatte auch Ö. gefunden, die mir ähnlch waren, aber sehr wenige. Es gab zB zwei, Studenten, Kollegen von mir, die dann auch geheiratet haben. Das Komische war, dass die zwei auch Wien und Ö. nicht mochten, genau wie ich. Sie wollten weg von hier. Auch während des Studiums waren sie nicht die ganze Zeit hier. Eine Zeitlang waren sie in Spanien mit einem Stipendium, dann kamen sie wieder für kurze Zeit, um bald nach Venezuela zu fahren, wo es ihnen besser gefiel, obwohl es kein ideales Land war, ziemlich chaotisch und gefährlich, grosse Unterschiede zwischen arm und reich. Manchmal denke ich Rumänien tendiert auch in diese Richtung, so eine Art wilder Kapitalismus. Na ja, also nachdem ich zwei Ö. gefunden hatte, mit denen ich mich gut verstand, gingen sie weg, zuerst nach Japan, jetzt leben sie in Spanien, wo sie sich wohlfühlen. Sie erzählten, dass die Spanier sehr viel reden, über alles und nichts, sie sind imstande den ganzen abend über Kleinigkeiten zu reden, aber so kann man sie besser kennenlernen, als die Ö. die einen einer strikten Befragung unterziehen, wo man wohnt, wo man arbeitet, ob man eine Freundin hat, und dann glauben sie, dass sie alles über einen wissen. Sie stellten also eben diesen Unterschied fest, dass die romanischen Völker die Diskussion nicht als Datenaustausch sehen, sondern eher als Phänonem betrachten, schwer definierbar, so nach Husserls Theorie, ein Phänomen, das sich dem strikten Rationalismus entzieht. Also ein Baum ist nicht ein Gebilde,das aus Wurzel, Stamm und Blättern besteht, sondern so eine Sache die man betrachten kann, die Blätter bewegen sich im Wind und man kann es schwer beschreiben, man muss es leben. So entdeckten auch diese Freunde von mir eine Phänomenologie des Gespächs in Spanien: man redet mit ihnen lauter wirres Zeug, aber man fühlt sich wohl und dabei lernt man die Leute richtig kennen. Oder mehr als das, man hat das Gefühl zu verstehen, wie ihre Position in verschiedenen komplexeren Angelegenheiten ist, zumal nicht jeder imstande ist, solche Dinge zu verbalisieren.


B. Und wie sind sie vom Arbeitsstil her, als berufliche Beziehung?

M:
Als freier Mitarbeiter arbeite ich mit einigen Architekturbüros zusammen, nicht mit sehr vielen. Das hängt auch mit dem hiesigen Konservativismus zusammen, man kriegt Beziehungen durch Beziehungen, nicht durch Leistung. In der Beziehung sind sie uns sehr ähnlich.

Es gibt ein paar sehr gute Eigenschaften. Wenn es eine Gesellschaft gäbe, die die ö. Qualitäten mit dem rumänischen Charme verbinden könnte, das wäre eine ideale Gesellschaft. Es geht hauptsächlich um Verlässlichkeit. Das ist eine gute Sache und da kann ich mich nicht beschwären. Es gibt diese Korrektheit, die immer und überall eine gute Sache ist, aber da ich mehr auf der kreativen Seite arbeite, da spührt man den Mangel an Offen-Sein für diese Dinge. Es ist ziemlich schwer hier mit einer neuen Idee zu kommen. Sie wollen meistens klassische Sachen. Wenn ich mal eine Skizze in Fabrbleistift mache und sage, ich könnte es aquarellieren, dann sagen sie, warum. Einmal habe ich eine aquarellierte Skizze gemacht und dann wollten sie es nur mehr so haben. Also es gibt schon diese Tendenz, sich in Schemata zu begeben aus denen man dann nicht mehr rausfindet. Das Suchen, Probieren ist nicht so vorhanden. Es ist als ob das Gedächtnis jeweils nur bis zum letzen Beispiel reichen würde. Deswegen wird das zuletzt Gewählte auch immer weiter gewählt. Aber vielleicht denke ich zu kompliziert. Und sie wiederum zu unkompliziert. Ich weiss es nicht.


Dann die Art, wie Höflichkeit verstanden wird. In jeder Gesellschaft gibt es eine bestimmte Relation zwischen Höflichkeit und Ehrlichkeit. Sie (die Ö. ) betrachten die Höflichkeit in einer kasernenhaften Art. Höflich ist wenn man wie beim Militär mit "yes, sir" antwortet, wenn man gefragt wird. Höflichkeit ist eine urbane Angelegenheit, deswegen sind die Franzosen Meister darin. Es ist ein Interface, das einem den Umgang mit Menschen ermöglicht, die man nicht wirklich kennt. So gesehen, kommen mir die Ö. rural, ländlich vor. Sie besitzen die Urbanität der Französen oder der Italiener nicht.

Der ö. Höflichkeit fehlt also die Intelligenz, die einem erlaubt, das Ganze nuanciert anzuwenden. Man hat das Gefühl, es wird auch auf dem Gebiet nach bestimmten Schemata aggiert, nach fertigen Patterns, die undifferenziert angewendent werden. Sie sind etwas monoton in ihrer Höflichkeit. Die Kunst der Höflichkeit besteht darin, dem Gegenüber das Gefühl zu geben, das er im Speziellen gemeint ist. Man sagt nicht, "Würden Sie mir bitte sagen, wie spät es ist" zu jemanden auf der Strasse, genau so, wie man es zu einer Mauer sagen würde. Obwohl derjenige sicher ein Fremder ist. Aber man muss imstande sein, ein Gefühl der Nähe, der unaufdringlichen Nähe zu erzeugen, und nicht demjenigen das Gefühl geben, dass er bloss als Objekt zur Findung der Uhrzeit dient. Dieses feine Gleichgewicht wird von den Ö. nicht verstanden. Oder nicht so verstanden, wie wir es verstehen, oder die Franzosen, die Italiener. (...) Man hat hier auch oft das Gefühl, dass die Höflichkeit, die einem entgegengebracht wird, etwas Mechanisches an sich hat.


Die Franzosen sind machmal sympatisch, manchmal nicht. Da war ich mal dort, es war der 14. Februar, dieser blöde, von den Amerikanern importierte Feiertag. Wir gingen in ein Bistro und der Kellner wollte wissen, was wir für eine Sprache sprechen, ob wir nicht Italiener sind, schnappte Wörter auf, die ihm bekannt vorkamen.... So etwas kann man nicht mimmen. Das ist eine Rolle in der man aufgeht, ein Stück das man spielt. Der Ö. spielt jeden abend die gleiche Rolle, die er monoton wiederholt, er improvisiert nicht. Jeden abend spielt er das Gleiche vor. Das ist im Prinzip tragisch, wenn man das Gleiche mit der Gattin im Bett tut, bei der Arbeit usw, ein unwürdigeres Leben kann man sich gar nicht vorstellen. So wie in diesem Film, "Tag des Murmeltieres", es ist grausam und absurd. Aber absurd eher in Richtung Kafka, als in Richtung Camus. Bei Camus ist das Absurde aus französischer Sicht gebracht, intelligent, raffiniert, anders, europäisch.


Zur Falschheit in der Höflichkeit gehört auch die Tatsache, dass man hier niemanden finden wird, der offen sagt, ich bin nicht dieser Meinung, oder es gefällt mir nicht, was du zu mir gesagt hast. Meistens geht das so, dass wenn jemandem, dem Chef, etwas nicht gefällt, dann beschwert er sich bei allen anderen und schliesslich beginnen alle Anspielungen zu machen, damit ich verstehe, worum es geht. Aber der Chef wird nie zu mir sagen, schau, diese Sache passt mir nicht, lass uns sehen, was wir tun können.


B: Und warum, glauben Sie, ist das so?

M:
Es ist auch Teil ihrer Mentalität. Man wird so erzogen. Es geht aber letztlich um eine Unfähigkeit zu realen Problemen zu kommunizieren. Es wird nur durch stereotype Formel kommuniziert. (...) Auf dieser Weise wächst alles wie ein Geschwür, bis es mir zu Ohren kommt. Die Höflichkeit bestimmt die Form in der man etwas sagt, nicht was man sagt. Natürlich betrifft das nur den Durchschnitt. Sobald man auf qualitätvolle, intelligente Menschen trifft, gibt es keine solchen Probleme.


B: Sonstige Gebiete, die Unterschiede aufweisen, die wir nicht gleich dekodieren können? Religion...

M:
Religion, ja. Der Katholizismus wird hier auch kasernenhaft verstanden, als eine aufgezwungene Regel, nicht als Regel, die einvervenehmlich besteht. Ich höre oft Ö1, und da gibt es manchmal Beschreibungen von Kulturträgern, die über ihre frustrierte Kindheit berichten, frustriert aufgrund von katholischen Prinzipien, meist in Sachen Sexualität. Da gibt es strenge Regeln und wenn man sie nicht befolgt, ist es sehr schlimm. Also wiederum eine falschverstandene Ethik. Wenn man an "Minima moralia" von Andrei Plesu denkt, ein sehr interessantes Büchlein, da versucht er Ethik als lebendigen, aktiven Organismus zu beschreiben, das ständig neu definiert werden muss. Es geht um feine Differenzierungen, die jeweils zu Schlüssen führen. In ähnlichen Situationen wird nicht immer die gleiche Regel angewandt.

In spirituellen Dingen, kommt es mir vor, wird also auch oft mit aufgezwungenen, fixen Regeln operiert.

Die Orthodoxie ist flexibler. Alldieses Gerede über Homosexualität und Pädophilie in der katholischen Kirche, das ist das Ergebnis der strengen Befolgung streger Regel. Man flüchtet dann auf irgendwelchen sonderbaren Arten. In der Orthodoxie ist Gott auch ein Verzeihender, man kann einiges auch umgehen. Natürlich birgt das eine gewisse Gefahr, man kann auf diese Weise auf allen möglichen Abwegen gelangen. Da sollte man die Korrektheit des Katholizismus wahrscheinlich bewundern.


Der Katholizismus hat daher sehr viel mit dieser Gesellschaft zu tun.

Es gibt dieses Buch von Erich Fromm, "Haben oder Sein". Ich würde ein drittes Seinszustand dazunehmen, "gezwungen sein, etwas bestimmtes zu tun".

Wenn die Italiener klar im "Sein" leben, so ist auch ihr Katholizismus - wo Gott doch mit Wundern zu tun hat, eine schöne Sache ist, etwas Begeisterndes sein kann, all diese Wunder, die mal hier mal dort passieren. Bei den Ö. scheint Gott nicht als ein solches schönes Phänomen betrachtet zu werden, das sogar poetisch sein kann, wenn man will, sondern eher als etwas Aufgezwungenes als eine Instanz, also letztlich wieder dieses Kasernenhafte.

Da erinnere ich mich an ein Gespäch mit ö. Freunden und dieser einen Nachbarin, die eher links stand. Ich sagte irgendwann, dass man die Bibel nicht so wörtlich nehmen sollte und dass ich persönlich versuche, sie poetisch zu betrachten. Da war sie sehr aufgebracht. Man soll die Bibel nicht interpretieren, meinte sie. Sie ist was sie ist, eine heilige Sache, die man nicht anders einordnen kann, man kann sie nicht als poetisch betrachten oder irgendwas zwischen den Zeilen lesen. Also das, obwohl sie selbst auch interpretierte und versuchete zu deuten, was was heissen soll. Sie sah die Sache wissenschaftlich, man konnte fachgerechte Meinungen lesen, aber freie Interpretation war nicht drin. Das war für sie eine Art Libertinismus.

Ein anderes Mal ist was anderes passiert mit der selben Dame, und sie ist ein typischer Beispiel für den Ö. , der ein Universitätsstudium hinter sich hat, in dem Fall Jus, aber das ist auch alles. Also kulturell limitiert, aber ansonsten ein netter, guter Mensch. Da sagte ich mal, mit dem Staat ist es überall das Gleiche, wenn man ihm Geld schuldet, muss es sofort sein, wenn aber der Staat einem was schuldet, kann man sehr lange warten. Das ist in Rumänien auch so. Und auch hier. Eher kriegt man es gutgeschrieben, als Cash zurück. Und da war sie empört, dass ich den Staat erwähnt habe, als eine Instanz; die nicht ernst genug ist, oder das ich die Ernsthaftigkeit angezweifelt habe. Sie hat sich aufgeführt als ob wir abgehört wurden und sie musste beweisen, dass sie im Zweifelsfall den ö. Staat verteidigt. Total absurd.

Dieses totale Verinnerlichen gewisser Zensurpunkte ist bei ihnen faszinierend und unverständlich. Man denkt sich, dass es überall offizielle Tabus gibt, die man aber privat diskutieren kann. Für mich ähnelt das sehr dem, was während des Kommunismus bei uns galt, diese Verinnerlichung der Zensur, wo Schriftsteller nicht nur, dass sie keine gefährlichen Manuskripte zu publizieren versuchten, aber sie hatten auch nicht mehr den Mut, für sich selbst welche zu schreiben. Das passiert wenn man vom System derart eingeschlossen ist, dass man ein Teil davon wird und sich ganz seinen Regeln unterwirft. Nicht das ein System an sich unbedingt schlecht sein muss, aber es ist was es ist und man hat die Wahl, sich zu intergrieren oder ausserhalb zu bleiben. Das ö. System scheint dazu zu neigen die Individuen einzuschliessen. Im Gegensatz zum italienischen wo, wie gesagt, einer wie Freud nicht das Bedürfnis gehabt hätte, sich in Opposition zum Establishment zu plazieren.

Aber nehmen wir was Neueres. Elfriede Jelinek ist eine der bekanntesten ö. Schriftstellerinnen. Sie schrieb "Die Pianistin". Den Roman gibt es auch auf Rumänisch. Es wurde auch vor kurzen verfilmt, von Haneke. Das Buch habe ich von einer Freundin in Bukarest, die Kunstkritikerin ist. Mit ihr hatte ich mal über das Leben in Wien gesprochen, und gemeint, vielleicht liegt's an mir. Ein paar Monate später traf ich sie in Bukarest und sie schenkte mir dieses Buch und sagte, lies dieses Buch, das klingt zehn mal schlimmer als das, was du erzählst. Jelinek gehört zu den Intelektuellen, denen es klar ist, dass etwas nicht stimmt und sich dagegen auflehnen. Es geht um sehr schwierige zwischenmenschliche Beziehungen. Eine Klavierlehrerin, die bei ihrer Mutter lebt. Sie wird von ihrer Mutter terrorisiert, aber sie kann sich nicht entschliessen wegzugehen, unsinnige Situationen, dann erotische Beziehungen, die auch unsinnig und obssessiv sind, mit einem Schüler von ihr. Die Beschreibungen sind morbid. Aber auch die Tatsache, dass man diesen Stil wählt, gehört auch zu Ö., würde ich sagen.


B: Und die zwischenmenschlichen Beziehungen unter Österreichern?

M:
Ich glaube, die sind genauso schwierig. Sonst würde es keine Psychoanalyserekorde geben. Die Ungarn und die Östereicher haben lange Zeit den Selbstmordrekord gehalten. Vor kurzem habe ich gehört, dass die Spezialisten sich neue Methoden zur Bekämpfung der Winterdepression hier ausdenken. Lichttherapie. Spart angeblich viele Analysestuden.

Dann alldiese Ausdrücke, wie "sich selbst im Wege stehen", oder "frustriert". Ich bin vielen dieser Ausdrücke zuerst im Deutschen begegnet und erst dann rumänische Entprechungen dafür gefunden. In Bukarest hört man selten jemanden sagen, dass jemand anderer frustriert ist. Hier hört man es sehr oft, es ist ein gängiger Ausdruck. Das ist wohl so zu bewerten, wie die angeblichen 120 Ausdrücke für Schnee in der Eskimo-Sprache. Für die Eskimos ist Schnee ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. So verhält es sich wohl auch mit den Frustrations-Termini. Man muss ein weites Instrumentarium haben für ein so verbreitetes Phänomen.

Und das haben auch Leute bemerkt, die hier weniger lang als ich gelebt haben.

Der Unterschied zwischen den Bettlern hier und in Rumänien, zB. In R: hat man oft das Gefühl, dass diese Leute zwar arm sind, aber ihr Leben, so wie es ist, doch geniessen, leicht fatalistisch. Man könnte, glaube ich sagen, dass sowohl die R. als auch die Ö. fatalistisch sind, nur dass wir die Tagseite, die romantische Seite davon sehen, sie hingegen die Nachtsseite, die gruselige. Denn man kann in einer Extremsituation sagen, wenn es schon so schlimm ist, lasst uns feiern, oder man kann sagen, lasst uns uns alle selbst erschiessen und Schluss machen. (....)

Zur Kommunikation, da kommt mir Erwin Ringel in den Sinn. Er hat u.a. "Psychologie der österreichischen Seele" geschrieben, zumindest glaube ich dass es so geheissen hat. Er selbst war fast das Gegenteil des gängigen Österreichers. Er war immer sehr dramatisch und überzeugend. Den habe ich gleich geliebt als ich ihn bei Ö1 mal gehört habe. Er redete über die Lieblosigkeit in Ö. Als Thema findet man das auch bei Wim Wenders, der Österreicher ist. Ringel gab mal ein Beispiel, ein sehr schönes, er sagte, nehmen wir zB dieses Wort "selbstlos". Warum hört man so oft, dass selbslos zu sein etwas Gutes ist. Er sagte, was gibt es Schlimmeres als ohne Selbst zu sein, dh sein Selbst, oder Ego total zu negieren. Da gibt es nichts mehr, auch nichts, was man lieben könnte. Und wie kann man andere lieben, wenn man sich nicht mal selbst lieben kann, also wenn man Liebe generell ablehnt. Er hatte sehr viel darüber zu sagen und auch über den Mangel an Kommunikation, der wiederum zu verschiedensten Frustrationen führt. Kommunikation soll ja auch befreiend wirken. Die psychanalytischen Techniken basieren ja alle auf das Gespräch.

Auf jeden Fall, ich habe Ringel deswegen grossartig gefunden, weil er eine Menge Dinge sagte, die meinen Erfahrungen oder Meinungen entsprachen, aber er wusste es prägnanter und koherenter auszudrücken. Wie gesagt, er war sehr dramatisch und das Gegenteil des Durchschnittsösterreichers, der ein bischen langsam und schwerfällig ist, auch verbal. Man sieht es auch in Interviews. Die benützen alle die gleichen Floskeln, egal worum es geht.


B: Ja, das konnte ich auch feststellen und konnte mir das nie erklären.

M:
Dann muss ich wohl recht haben. Leider habe ich recht nur bei negativen Dingen. Das ist auch Teil des Schicksals, wenn man in Ö. lebt, dass man mit der Zeit draufkommt, dass man nur dann recht behält, wenn man unheimliche Dinge bemerkt. Das ist fast das Schlimmste, denn man möchte ja gerne schöne, optimistische Dinge entdecken, man sucht ja das Licht, instinktiv, könnte man sagen.